Wer das Tor zur Ponyschule „Mini trifft Mini“ in Klein Berkel öffnet, der erwartet erst einmal richtige Pferde. Am Montagnachmittag sind die Tiere allerdings aus Stoff und statt Hufen scharren Füße auf dem Boden.
Acht Mädchen stehen auf dem Übungsplatz: Alle sind zwischen 9 und 14 Jahre alt. Alle warten sie auf die nächste Trainingseinheit. Und alle haben sie ein Steckenpferd zwischen den Beinen.

Wer jetzt noch nicht weiß, um welchen Sport es sich handelt, scheint die mediale Präsenz des „Hobby Horsing“ verpasst zu haben. Die Trendsportart als „neu“ zu bezeichnen, wäre falsch, denn dieses Jahr feiert der Hobby Horse Club Hameln bereits sein fünfjähriges Bestehen.
Bei dem Sport, der ursprünglich aus Finnland kommt, werden verschiedene Dressur- und Springübungen aus dem Reitsport nachgeahmt – nur eben mit einem Steckenpferd anstelle eines richtigen Tieres.
Es geht um Koordination, Ausdauer und Rhythmusgefühl
„Obenrum sind sie Reiter, untenrum Pferd“, erklärt Trainerin Anna-Virginia Kühne, während die Mädchen mit einem Spiel beschäftigt sind, das sowohl Koordination als auch Konzentration schulen soll. Ein weiterer Fokus des Sports ist neben Ausdauer und Rhythmusgefühl die Kreativität. So haben sich die Sportlerinnen in den vergangenen Monaten beispielsweise eigene Küren ausgedacht. Auch Unterkategorien wie Western oder Galoppreiten gibt es inzwischen.
Seinen Aufschwung hat der Sport insbesondere der Corona-Pandemie zu verdanken. „Immer mehr Sportvereine haben geschlossen“, erinnert sich Kühne. Mangelnde Bewegung wurde zum Problem. Beim Hobby Horsing ist die Ansteckungsgefahr gering. Der Sportler kommt niemandem besonders nahe – außer halt dem eigenen Steckenpferd.

Mittlerweile werden regelmäßig Turniere veranstaltet, sodass auch der Wettbewerbsgedanke nicht zu kurz kommt. Die elfjährige Nila, die sich am Montag unter den Mädchen befindet, nahm bereits an der Deutschen Meisterschaft teil.
„Es war ungewohnt, so viele Hobby Horser auf einmal zu sehen“, berichtet sie. Nila besitzt 70 bis 80 Steckenpferde – einige davon sind selbst gebastelt, andere gekauft. „Ich habe sogar einen eigenen Raum für meine Pferde“, erklärt sie.
Auch Giraffen lassen sich reiten
Dabei müssen es gar nicht immer Pferde sein. Auch Giraffen, Zebras und Esel befinden sich in den Sammlungen der Mädchen. Die Preise können dabei sehr variieren. Einige Steckenpferde kosten satte 1000 Euro. „Dafür kriegst du teilweise schon ein echtes Shetty“, wirft Kühne lachend ein.
Qualitativ hochwertige Exemplare gäbe es laut der Mädchen ab 70 Euro. Wer nicht so tief in die Tasche greifen möchte, kann auch selbst die Nähutensilien in die Hand nehmen und loslegen.
Es gibt sogar Medaillen
Im Internet findet sich allerlei Zubehör für den Sport. Von Halftern, Medaillen und Ställen bis hin zu – ja, künstlichen Pferdeäpfeln. Auch immer mehr namhafte Reitmarken springen auf den Zug auf und entwerfen Kollektionen einzig für das Hobby Horsing. „Alles, was es für das echte Pferd gibt, gibt es im Prinzip auch für das Hobby Horse“, erklärt Kühne.
Auffällig ist, dass alle Teilnehmerinnen zusätzlich auf echten Pferden reiten. Ob sie die beiden Sportarten strikt voneinander trennen könnten? „Ich sehe selbst, dass das kein echtes Pferd ist“, lautet die Antwort von einem der Mädchen.
Sport wird leider häufig ins Lächerliche gezogen
Doch nicht alle machen sich mit dem Hobby das Leben leicht. Der Sport wird häufig ins Lächerliche gezogen. Das merken die Mädchen immer wieder – auch in der Schule. Doch sie bleiben standhaft und entgegnen: „Ich denke mir dann, sollen sie doch lachen. Ich höre ganz sicher nicht damit auf“.
Dabei gibt es mittlerweile bereits AGs an Schulen, die Hobby Horsing anbieten – so zum Beispiel die IGS in Springe.
Das Hobby bereitet zusätzlich gut auf den „richtigen“ Reitsport vor, erklärt die Trainerin. Auch immer mehr Erwachsene probieren sich am Trainieren mit Steckenpferd aus. „Das Wichtigste ist, dass man Spaß hat“, sagt Kühne – so, wie es eigentlich bei jeder Sportart seien sollte.