Schon bei der Anfahrt zum Campingplatz an der Weser in Hameln kann man erkennen, dass der hiesige Betreiber viele Talente hat. Begrüßt wird man von einem künstlerischen Torbogen, auf dem eine Rattenfänger Figur thront. Gebaut hat dieses Tor der Campingplatzbesitzer Manush Gerbeshi selbst und er ist noch lange nicht damit fertig. Aber dazu später.









Manush Gerbeshi ist 52 Jahre alt und kommt ursprünglich aus dem Kosovo. Dort studierte er Jura, musste aber 1995 aufgrund des Kosovo-Krieges fliehen. Der Start in Deutschland war nicht einfach für ihn. Sein Studium aus der Heimat wurde hier nicht anerkannt und er durfte somit nicht weiter studieren. Zu Beginn lebte er in Langenhagen, später in Osnabrück. „Anstrengend war es im Wohncontainer zu sechst zu leben“, sagt er gedankenversunken. Damals war er aber von der Arbeit meist so müde, dass er dort nur schlief. In Osnabrück arbeitete er als Eisenflechter. Auch wenn er eigentlich einen anderen Beruf angestrebt hatte, lag ihm das Handwerkliche schon immer. Viele Tätigkeiten hat er sich selbst beigebracht, so dass er sich erstmals in Deutschland selbstständig machte mit dem Bau von Zäunen und Kaminen, die er mit Mosaiken verkleidete.
Wenn man freundlich und offen auf andere zugeht, dann bekommt man viel zurück.

Sein anderes großes Hobby ist die Neurowissenschaft. Der Krieg hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Sind Menschen von Geburt an böse oder treibt ihr Umfeld, ihre Prägung oder die Gesellschaft sie zu Gewalt? Mit wachsenden Deutschkenntnissen und auch wachsendem Vokabular auf diesem Gebiet verbrachte er die letzten 20 Jahre mit der Recherche in diesem Zweig der Wissenschaft. Auf dem Campingplatz hat er mit seinen Gästen nur Gutes erlebt. „Wenn man freundlich und offen auf andere zugeht, dann bekommt man viel zurück. Menschen brauchen von Natur aus Liebe und Gemeinschaft“, sagt er. Manchmal kommen Gäste erst spät an, weil sie im Stau stehen oder eine Panne haben. Dann steht er noch mit einem Lächeln bereit und heißt sie auch außerhalb der Öffnungszeiten willkommen. „Durch Freundlichkeit wird man nicht arm“, ist sein Credo.
Auf den Campingplatz an der Weser ist er vor zehn Jahren durch die Empfehlung eines Freundes gekommen. Obwohl in den Platz wohl schon jahrelang nicht mehr investiert wurde, sah er sofort das Potenzial dieses schönen Fleckchens und auch der kleinen Stadt Hameln. Reparaturen hat er von Anfang an selbst erledigt. Seine Frau unterstützt ihn dabei, wo sie nur kann. „Beim ,learning-by-doing‘ habe ich anfänglich auch vieles kaputt gemacht. Ich war oft ohne mein Vorwissen zu mutig im Ausprobieren“, lacht er. „Aber Verlierer ist man, wenn man nichts macht. Ich habe bei jeder Tätigkeit aus meinen Fehlern gelernt und es das nächste Mal besser gemacht.“
Wandmalereien vom Rattenfänger zieren die Dusch- und Waschräume
Als der Campingplatz in seiner Hand lag, hat er erst einmal 200 bis 300 Kubikmeter Müll entsorgt. Sein Interesse für Kunst und Neurowissenschaft bringt er bei den Renovierungen auf dem Campingplatz ein und möchte mit der künstlerischen Gestaltung für Aufmerksamkeit und Freude bei den Gästen sorgen. Selbst die Sanitäranlagen sind eine Augenweide. Selbstgemalte Portraits, zum Beispiel vom Rattenfänger oder einer Häuserreihe in Amsterdam, sowie Mosaike und Wandmalereien zieren die Dusch- und Waschräume. Alles fühlt sich heimelig and und man fühlt sich sofort gut aufgehoben. Aber natürlich legt er besonders auf Hygiene einen großen Wert. Die Gäste sollen einen blitzblanken Platz vorfinden. An anderer Stelle grenzt sein handwerkliches Talent schon an Erfindergeist. Hier muss kein Gast die Müllcontainer per Hand öffnen, da er eine Hebevorrichtung aus einem alten Jalousien-Motor gebaut hat.
Im Wasserschutzgebiet ist er sich seiner Verantwortung bewusst
Ganz besonders lobt er die Zusammenarbeit mit der Stadt Hameln. 2020, als Camping in der Coronazeit seinen großen Boom erlebte, eröffnete er einen weiteren Stellplatzbereich an der Weser. Dafür bekam er eine Sondergenehmigung, weil die Stadt das Potenzial für den Tourismus erkannte. Umgekehrt, sagt er, gibt er immer das, was von Behördenseite von ihm erwartet werde. Gerade hier im Wasserschutzgebiet ist er sich seiner Verantwortung bewusst.
Auch der Kirchengemeinde vor Ort bietet er seine Dienste an. Bei meinem ersten Besuch bei ihm zimmerte er gerade ein großes Holzkreuz hinter dem Empfangsgebäude. Das hat er der Kirchengemeinde für ein Tauffest an der Weser geschenkt. Auch 2020 hat er seinen Campingplatz an Heiligabend für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt, weil dieser aufgrund der damaligen Regelungen nicht in der Kirche stattfinden durfte. Stolz zeigt er mir Fotos, auf denen die Gemeinde vor dem großen Torbogen steht, den er liebevoll beleuchtet hat. Er selbst ist gläubig, gehört aber keiner Religion an. Er meint, er wüsste gar nicht, für welche Religion er sich entscheiden sollte. Und im Endeffekt haben alle das Hoffen und Beten gemeinsam und die Bindung an eine Gemeinschaft.




Wann wird sein großes Projekt der Torbogen wohl fertig sein? Er schmunzelt und meint: „Das wird sicher noch drei bis vier Jahre dauern!“ Aktuell schweißt er an einem Rad mit Motor, auf dem sich die Ratten hinter dem Rattenfänger drehen und auf und ab bewegen sollen. Aber er hat noch viele Ideen, wie er das Tor weiter verschönern kann. Wir werden dranbleiben und den Fortschritt beobachten. Vielleicht hat unsere schöne Rattenfängerstadt ja bald eine ganz neue Touristenattraktion? Lieben Dank für das inspirierende Gespräch, Manush!