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Wie sich Kai Tippenhauer nach der Pleite der „Zeitzone“ ins Leben zurückkämpfte

Wer zu Besuch in der „Zeitzone“ war, kennt Kai Tippenhauer. Der heute 42-Jährige war das Gesicht des Szenelokals in der Zentralstraße in Hameln. Er revolutionierte das Frühstück, plauderte gern mit seinen Gästen, alles lief gut. „Ich hatte vermeintliches Glück, finanzielle Freiheit. Ich dachte, das wäre wichtig fürs Leben“, erzählt Kai. Aber das Glück blieb nicht lange …

Der ausgebildete Bürokaufmann ging mit der „Zeitzone“ pleite, musste schließen – und fiel tief. Innerhalb kurzer Zeit wurde er zum Hartz-IV-Empfänger, zog in eine WG. Seine Ex-Freundin hatte sich zu der Zeit schon mit der gemeinsamen Tochter nach Berlin verabschiedet. Was jetzt? Kai Tippenhauer brauchte einen neuen Plan – und traf eine Entscheidung, die sein Leben radikal verändern sollte. Der HamelnR erzählt seine bewegende Lebensgeschichte.

Kai Tippenhauer – Kapitel 1: Höhenflug in der Zeitzone

Eigentlich ist Kai Tippenhauer Bürokaufmann. Im Gespräch mit HamelnR erinnert sich der 42-Jährige: „Das war gar nicht meins, aber ich musste nach der Schule was lernen. Ursprünglich wollte ich Polizist werden, aber den Aufnahmetest habe ich knapp nicht bestanden.“ Nur: Bei „Marc Shoes“ in Fischbeck wechselte der Geschäftsführer – und mit dem kam Kai überhaupt nicht klar: „Ich war 18, 19 Jahre alt und ganz sicher nicht reif genug. 90er Jahre, Techno, alles war wild. Und ich auch.“ Er verließ den Betrieb, schrieb hunderte Bewerbungen. Ohne Erfolg. Also jobbte er in der „Alten Post“ in Hameln, landete über ein Praktikum im Eventbereich.

Ich habe versucht, zu hören, was die Leute sagen.

Kai Tippenhauer

„Es ging mir gut – und mit 28, 29, 30 ging es mir noch viel, viel besser“, erzählt er heute. Kai eröffnete die „Zeitzone“. Das Konzept ging auf. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich die Bar, Bistro und Lounge in der Zentralstraße zum Szenelokal. „Ich habe das Frühstück revolutioniert“, blickt der Hamelner stolz zurück. „Bis dato gab es meines Wissens nicht die Möglichkeit, einfach nur irgendwo zu frühstücken.“ In der „Zeitzone“ schon. Die Community war Kai wichtig: Er setzte sich gern zu seinen Gästen an den Tisch. „Die Leute sind zur Arbeit gefahren und nach der Arbeit zu mir gekommen.“ Auch seine Tochter wurde zu dieser Zeit geboren. Alles lief gut. „Ich hatte immer das Gefühl, dass die Leute in der Stadt über mich reden. Ich habe versucht, zu hören, was sie sagen.“ Wie konnte die „Zeitzone“ pleitegehen?

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Kapitel 2: Eine andere Zeitrechnung für Kai Tippenhauer

„Meinen 30. Geburtstag haben wir noch groß gefeiert“, erinnert sich Kai. Viele Freunde und Bekannte waren ihm damals wichtig. Dann der Schock: „Ein gutes Jahr später habe ich geschlossen und bin zurück auf Hartz IV. Ich hatte mich finanziell übernommen.“ Es fehlten Rücklagen. Und die zwangen Kai, die Reißleine zu ziehen. Verschuldet fing er als Barkeeper in der Rintelner Disco „Happy Night“ an, hatte jahrelang keinen festen Job. „Du warst die ganze Nacht auf den Beinen und hast sieben Stunden für wenig Geld gearbeitet.“

Von seiner Freundin hatte sich Kai inzwischen getrennt. Sie war mit der gemeinsamen Tochter nach Berlin gezogen. Der Hamelner zog in eine WG, sein Leben änderte sich radikal: „Du musst dir mal den Unterschied vorstellen von ‚Ich fahre einen italienischen Sportwagen, habe eine fette Wohnung oben am Klüt, jeden Tag Geld in der Tasche‘ zu ‚Du wohnst in einem WG-Zimmer, hast kein Auto und kriegst Hartz IV‘. Das sind zwei Welten“. Die Zeit prägte den Hamelner – und führte ihm vor Augen, was wirklich wichtig war: seine Tochter.

Für seine Tochter geht er nach Berlin

„Ich habe meine Sachen gepackt, hatte 200 Euro in der Tasche und bin nach Berlin“, sagt Kai und schiebt hinterher: „Berlin schluckt dich.“ Über einen Kontakt bekam er einen Job in einem Berliner Theater. Sein Tagesablauf: von 17 Uhr bis nachts um drei arbeiten, dann nach Hause, Internet-Poker. So ging das über Monate. Und so konnte es aus Kais Sicht nicht weitergehen. Zur Sommerpause kündigte er den Job. „Mit der Tasche und den 200 Euro, die ich vorher hatte, bin ich zurück nach Hameln.“

Berlin schluckt dich.

Kai Tippenhauer

Ob ihm die Zeit geholfen habe? Schon. „Vor allem geistig.“ In einem Buch schrieb der Teilzeitberliner seine Gedanken nieder, verarbeitete so die schwierige Zeit in seinem Leben. „Die Gedanken fressen dich auf. Und ich hatte niemanden, bei dem ich sie loswerden konnte. Also habe ich mich stundenlang hingesetzt und sie runtergeschrieben. Und sie waren danach weg.“ Nur einmal wagte Kai danach einen Blick in das Buch mit seinem Innersten. Er schwor sich, es niemals wieder zu lesen.

Kapitel 3: Zurück ins Leben

Zurück in Hameln. Zurück in der Stadt, in der er pleiteging. Aber Kai war zuversichtlich: „Es wird schon wieder aufwärts gehen“, sagte sich der Rückkehrer. Für einige Wochen wohnte er bei einem Freund. Der erste Job nach der Zeit in Berlin brachte ihm neben Hartz IV etwas Geld. So ging es Stück für Stück voran. Aber: Schulden hatte er noch immer. Kai meldete Privatinsolvenz an; ein Anfang war gemacht. Mittlerweile ist er schuldenfrei. Auch der erste Besuch seiner Tochter aus Berlin brachte ihn wieder nach oben. „Für einen Hartz-IV-Empfänger ist Berlin New York.“ Maximal einmal im Monat konnte er davor seine Tochter besuchen. Mehr war einfach nicht drin. „Ich bin total stolz darauf, dass ich es geschafft habe, den Kontakt zu halten“, sagt er heute.

Über einen Gastro-Job in Hildesheim lernte Kai seine neue Freundin kennen. Inzwischen sind sie verheiratet, erwarten ein gemeinsames Kind. „Über alles, was war, bin ich hinweggekommen. Ich habe einen Job, den ich schätze.“ Kai arbeitet als Social-Media-Berater bei der „Dewezet“ in Hameln. Das ist für ihn nicht nur ein Job, sondern Leidenschaft. Mit den Tiefpunkten in seinem Leben hat Kai abgeschlossen, die Probleme angepackt und gelöst. Ach ja: Mitte Juli soll es eine Revival-Party in der „Zeitzone“ geben. Zeit zurück für einen Tag.

Fotos: Christian Manthey

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