Sportlich chic kommt der junge Mann die Osterstraße entlang. Hier und da trifft Kristian Taag ein bekanntes Gesicht, grüßt freundlich, bevor es für ihn zu seinem nächsten Termin geht. Mit 23 Jahren arbeitet er als Leiter der Immobilienvermittlung für die Riverside Estate. Fußball spielt er nicht mehr. Dabei hat damit alles für ihn angefangen.
Wie viele junge Nachwuchskicker nutzt er als Sprungbrett die Jugendarbeit bei Blau-Weiß Schwalbe Tündern; “die sind in Sachen Nachwuchsarbeit ein Aushängeschild in der Region” und kommt als Jugendlicher nach einem Jahr beim TSV Havelse zu Hannover 96. Er geht weiterhin in Hameln zu Schule, wenn die mittags zuende ist, wartet entweder seine Mutter oder sein Vater schon, um ihm nach Hannover zum Training zu fahren. “Mein Mittagessen habe ich dann im Auto auf dem Parkplatz zu mir genommen.”
Kristian Taag: Aus Hameln über Hannover 96 zu Werder Bremen
Fußball ist für Kristian in dieser Zeit das ein und alles. “Nur das hatte Priorität”, sagt der Abwehrspieler. Seine Eltern unterstützen ihn, wo es nur geht. “Dafür bin ich unendlich dankbar, sonst wäre ich nicht in der Position, in der ich jetzt bin. Unterstützung ist das A und O”, sagt er.
Nach nur einem Jahr in Hannover wird er von den Scouts von Werder Bremen entdeckt. Sie holen ihn in die Weserstadt, zu den Grün-Weißen, und fortan lebt Kristian mit gerade mal 15 Jahren gut 115 Kilometer Luftlinie entfernt von Zuhause. Nach der neunten Klasse ist schulisch für ihn in Hameln Schluss; er zieht ins Internat von Werder Bremen. Und das befindet sich direkt im Mekka der Fußballfans. “Man lebt direkt im Stadion”, erzählt Kristian. Insgesamt drei Jahre bleibt er dort – und die sind geprägt von Höhen und Tiefen.
Eine Verletzungspause bringt Kristian Taag zum Nachdenken
Einerseits ist es aufregend: Fußball steht für ihn nun noch mehr als früher im Fokus; ist an der Tagesordnung, wird in den Stundenplan mit eingebaut. Sein Ziel damals: Den Sprung nach ganz oben, in die erste Mannschaft von Werder Bremen, zu kommen. Doch andererseits kommt mit schon 16 Jahren der erste Dämpfer für Kristian: Er verletzt sich im Training und muss sich am Kreuzband operieren lassen. “Es hat sich damals alles um Fußball gedreht, etwas Schlimmeres gab es daher gar nicht für mich.”
Mindestens neun Monate Pause hat der Innenverteidiger – und viel Zeit zum Nachdenken. “Aber ans Aufhören denkt man in dem Alter nicht.” Zu wichtig ist der Fußball, zu groß die Ambitionen, wenn man doch auch schon mal drin ist im Kosmos der Bundesliga. Rückblickend sagt er heute: “Ich habe damals zuviel gemacht.”
Kristian sagt über den Profifußball: “Du bis austauschbar in dem Geschäft”
Denn nicht nur, dass Kristian, als er wieder Fußball spielen kann, am Training und an Spielen teilnimmt; er bucht sich einen Personal Trainer, geht in Bremen ins Fitnessstudio. “Ich wollte mehr”, sagt er. Nach seiner Verletzung wollte er als schnellster Spieler wieder zurückkommen. Das klappt nicht ganz. Insgesamt vier Operationen hat er nun schon am Knie gehabt; das Kreuzband riss, am Meniskus wurde er operiert, ein Knorpel wurde entfernt. Heute weiß er: “Ich habe nicht auf mich aufgepasst.”
Kristian spricht von schlechtem Mindset, das er hatte, konnte mit den Verletzungen nicht gut umgehen. Und er sieht irgendwann: “Du bis austauschbar in dem Geschäft.” Wer keine Leistung bringt oder aufgrund von Verletzungen nicht bringen kann, muss gehen. Also lernt Kristian im Internat, denn er weiß irgendwann: Auch neben dem Fußball gibt es eine Welt, in der man etwas können und leisten muss. Vergisst er sein Schulbuch mal in Hameln, fährt sein Vater extra nach Bremen und bringt es ihm. Manchmal mehrmals die Woche besucht er ihn dort und unterstützt ihn.
Schon am Internat von Werder Bremen kommt Kristian mit der Immobilienbranche in Kontakt
Mittlerweile sagt Kristian einen Satz, der verwundert: “Ich bin heute dankbar, dass ich es nicht geschafft habe.” Denn er hat etwas anderes gefunden, das ihm mehr Spaß macht als Fußball: Er als Leiter der Immobilienvermittlung bei der Riverside Estate tätig, baut mit seinen Geschäftspartnern das Unternehmen weiter aus, arbeitet in Hameln und Hannover. Bereits nach dem Abitur am Internat von Werder Bremen, kommt er mit der Branche in Kontakt, arbeitet mit Florian Wellmann zusammen, ein bekannter Immobilienmakler aus Bremen – und lernt von ihm sehr viel. “Durch ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.”
Nach fußballerischen Stationen in Berlin, Koblenz und Chemnitz, wo er auch in der dritten Liga spielt, ist für Kristian allerdings schnell klar: Den großen Sprung in die erste Liga, ja sogar in die Nationalmannschaft, den schafft er nicht mehr. Zu groß waren die Verletzungen. “Irgendwann ist man halt angekommen oder nicht.” Also hängt er das Fußballspielen komplett an den Nagel und kehrt in seine Heimatstadt Hameln zurück, die er mit 15 verlassen hat. Hier will er nun erstmal bleiben, sagt er 23-Jährige. Er sei so früh von zuhause weg und sieht in der Rattenfängerstadt und Umgebung großes Potenzial, zudem ist er ein Familienmensch.
So läuft Kristians Start in der Immobilienbranche in Hameln
Kristian kommt mit Markus Frengel in Kontakt, der ihn zur Riverside Estate holt und der mittlerweile ein Mentor für ihn ist. Von ihm kann er lernen, noch besser zu werden in der Branche. Dass Kristian nun mit 23 Jahren schon eine Leitungsposition hat, ist auch dem Fußball zuzuschreiben; “die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, helfen mir jetzt in meinem Beruf.”
Rückschläge kann er besser verarbeiten, Kristian hat gute Kontakte, ein starkes Netzwerk und kann gut auf Menschen zugehen. Mit dem Fußballspielen hat er übrigens nicht wieder angefangen, auch wenn er locker noch in der Regionalliga mithalten könnte, wenn das Knie mitspielen würde, und das eine oder andere Angebot von einem Verein aus der Region gehabt hat. Aber er schaut lieber zu; Tennis und Golf reizen ihn, aber: “Ich bin total unsportlich geworden.”
Den gesunden Lebensstil behält Kristian Taag bei
Fußball verfolgt der Werder-Fan aber noch am Fernseher: Wenn seine ehemaligen Internatskollegen Manuel Mbom, Elia Gruev für Werder Bremen, Patrick Osterhage für den VfL Bochum und Linton Maina für den 1. FC Köln auflaufen. Doch Kristian denkt nicht: “Schade, da wäre ich jetzt auch.” Sondern er sagt: “Ich bin dankbar, sie zu kennen und dass ich mit ihnen spielen durfte.”
Von seiner Einstellung her hat Kristian jahrelang alles dem Fußball untergeordnet; noch heute trinkt er keinen Alkohol und raucht nicht, obwohl das kein Zwang ist, Profisportlern bei ihrer Fitness aber ungemein hilft. Wenn er heute jungen Nachwuchskickern ein Tipp geben müsste, wäre es dieser: “Die Schule sollte immer an erster Stelle stehen.” Nicht, das, was manch einer vielleicht hören möchte, aber nur wenige schaffen es eben bis ganz nach oben. Was Kristian noch wichtig ist: “Immer dazuzulernen, egal ob jung oder alt, und dabei mit ganz viel Herz dabei zu sein, für das, was einen selbst begeistert.”
Fotos: Anton Spreemann