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Marina Kleinhaus: Aus der Depression auf den Jakobsweg

Marina Kleinhaus möchte sich nicht schämen. Für sie sollten dunkle Gedanken kein Tabu-Thema sein. Uns hat sie offen von ihrem Weg aus der Depression erzählt.

Aus der Depression
auf den Jakobsweg

Eigentlich lief alles so, wie es laufen sollte. Zumindest sah es danach aus. Als Marina Kleinhaus 17 Jahre alt ist, bekommt sie ihren Traumjob. Sie fängt eine Ausbildung als Dekorateurin an, wohnt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Hannover. Doch irgendwie ist da diese traurige Seite in ihr. Diese Seite hat Marina, sagt sie heute, über viele Jahre in sich versteckt. Bis die gut aufgebaute Fassade immer mehr anfängt zu bröckeln. Von vorne.

Mit 17 Jahren in eine WG aufgenommen zu werden, ist nicht so easy. Das kann ich jetzt mit 21 auch verstehen. Als ich für die Ausbildung nach Hannover gegangen bin, haben meine Eltern und ich über Ecken eine eigene Wohnung für mich gefunden. Es war eine super Lage, nicht weit von meiner Arbeitsstelle und der Innenstadt entfernt. Aber ich habe einfach keinen Anschluss gefunden.

Marina sagt: „Ich habe viel in mich hineingefressen“

Unter den Auszubildenden ist Marina zu dieser Zeit die jüngste. „Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, habe mich in die Berufsschule gestürzt. Ich wollte den Haushalt perfekt machen, habe mich darin komplett verloren“, erzählt sie. Das erste Lehrjahr geht es mehr oder weniger gut. Bei einem Gespräch mit ihrer Vorgesetzten aber fängt Marina an zu weinen. „Es ging gar nichts mehr.“

Kurz vor Abschluss des ersten Lehrjahrs bricht sie die Ausbildung ab. „Alle in meinem Umfeld waren geschockt, haben nicht damit gerechnet.“ Und von außen betrachtet scheint es Marina auch nicht so schlecht zu gehen. „Weil ich viel in mich hineingefressen habe. Ich wollte mir das nicht anmerken lassen, wollte stark sein.“

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Darum möchte die Hamelnerin offen über ihre Down-Phase sprechen

Marina entschließt sich, Hilfe zu suchen. Sie besucht zu dieser Zeit eine Tagesklinik – und kommt ein halbes Jahr später mit einer schweren depressiven Episode in eine Psychiatrie. „Ich konnte nicht mehr richtig schlafen, hatte Gedanken, die nicht schön waren“, erzählt sie. Es sind dunkle Gedanken, die sie selbst geschockt haben.

Freunde und Familie sind in dieser Zeit immer für Marina da. „Ich wüsste nicht, wo ich ohne sie jetzt stehen würde“, sagt sie heute. Dabei kann sie in der Anfangszeit noch nicht so offen über ihre dunklen Gedanken sprechen. „Ich habe mich eher geschämt. Mir war es unangenehm.“ Für Marina waren Depressionen ein Tabu-Thema. „Ich habe mich selbst dadurch schlecht gemacht“, meint sie. „Ich dachte: Was ist mit mir verkehrt? Wie kann ich nur sowas haben?“ Jetzt aber möchte sie offen darüber reden. „Weil es okay ist. Niemand muss sich schämen. Wir haben alle mal Down-Phasen.“

Raus aus der Komfortzone: Auf dem Jakobsweg findet Marina zu sich

Marina versteht die traurige Phase in ihrem Leben inzwischen als Geschenk. Sie hat verstanden, dass sie ihr Glück selbst in die Hand nehmen kann. Darum entscheidet sie sich nach der Therapie dafür, auf dem Jakobsweg zu pilgern. Der Weg hat sie gerufen.

Ich wollte raus aus der Komfortzone, zu mir selber finden. Davor hatte ich immer irgendwie das Gefühl, allein zu sein. Durch das Pilgern habe ich verstanden, dass ich nie allein bin. Ich bin so vielen Menschen begegnet, mit denen ich mich austauschen konnte. Also war ich nie allein. Und ich bin es auch nie.

An einem Abend tanzt Marina alleine am spanischen Strand. Sie hört Musik über Kopfhörer, vergisst die Leute um sich herum. „Manche haben geguckt, aber das war mir egal. Dieser Moment war extrem befreiend.“ Ganz zu Ende geht Marina den Jakobsweg nicht. Einen Monat ist sie unterwegs, dann fliegt sie zurück.

So möchte Marina anderen Menschen jetzt helfen

Irgendwann möchte Marina das restliche Stück auf dem Jakobsweg gehen. Vielleicht in fünf Jahren, vielleicht in zehn Jahren, Marina weiß es noch nicht. „Ich bin noch so jung, habe so viel vor mir, habe die ganze Welt noch nicht gesehen“, meint Marina. Seit ein paar Wochen studiert sie Soziale Arbeit in Hannover. Sie möchte anderen Menschen helfen, sie dabei begleiten, ihren inneren Frieden zu finden. Das ist ihre Vision.

Ich möchte anderen zeigen, dass man sich nicht für seine Schattenseiten schämen muss. Auch diese können gezeigt werden. Ich möchte Hoffnung machen, dass jeder sein Glück selbst in die Hand nehmen kann und wirklich jeder seinen inneren Frieden finden kann. Ich möchte daran erinnern, dass das Leben wunderschön ist. Jeder Tag ist kostbar.

HINWEIS: Menschen, die unter Depressionen leiden und Suizidgedanken haben, sollten ihren Hausarzt aufsuchen. Hilfe gibt es auch bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den kostenlosen Hotlines 0800-1110111 und 0800-1110222 rund um die Uhr. Die Beratungsgespräche finden anonym und vertraulich statt.

Fotos: Tanja Dutton

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