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Tätowierer Moritz Piwon: Handwerker, kein Künstler

Moritz Piwon ist ein Kunstwerk. Kaum eine Stelle seines Körpers ist nicht tätowiert. Über Umwege kam er als Tätowierer zur Tattoo Family Eisenhauer. Als Künstler sieht sich der Hamelner aber nicht. Warum eigentlich? Wir haben ihn bei seiner Arbeit besucht.

Die Tattoo-Maschine rattert. Rockmusik füllt den Raum. Aline ist extra aus Höxter gekommen, um sich in Hameln tätowieren zu lassen. Ein Mandala auf der rechten Wade soll es werden. So ein kreisförmiges Ornament ziert bereits ihr linkes Bein – und ihren rechten Oberschenkel. Beide Tattoos hat Moritz Piwon gestochen. Er arbeitet bei der Tattoo Family Eisenhauer, einem der ältesten Tattoo-Studios in Norddeutschland. Ob eine Bedeutung hinter dem Tattoo von Aline steckt? „Nein, pure Ästhetik“, sagt sie. „Weil ich’s schön finde.“

Moritz führt die Nadel zur Haut seiner Kundin. Arbeit ist das für ihn jetzt nicht mehr. „Der Entwurf ist die Arbeit. Alles andere ist dann für mich sehr entspannend“, erzählt er: „Das Tätowieren ist nahezu ein Automatismus geworden. Ich freue mich jeden Tag drauf. Ich nehme die Maschine in die Hand und tauche in meine eigene Welt.“

Moritz Piwon: „Die Bezeichnung ‚Künstler‘ ist für mich ein No-Go“

Aline ist nicht die einzige Kundin, die sich bei der Tattoo Family Eisenhauer zum wiederholten Mal tätowieren lässt. „Aus den meisten Kunden werden Stammkunden“, verrät Moritz. „Wenn sie zum ersten Mal hier sitzen, überlegen sie meist schon, welches Motiv als nächstes kommen soll. Ich kenne nur wenige Menschen, bei denen es bei einem Tattoo geblieben ist.”

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Und da ist er selbst das beste Beispiel. Kaum eine Stelle auf dem Körper des 30-Jährigen ist nicht tätowiert. Er selbst: ein Kunstwerk. „Ich habe für alle meine Tattoos weniger überlegt als manche für ihre kleine Schrift am Handgelenk“, meint Moritz. Als Künstler sieht er sich nicht: „Ich bin Handwerker. Die Bezeichnung ‚Künstler‘ ist für mich ein No-Go.“

Der Tätowierer streckt seine Hände aus. „Meine Eltern und der liebe Gott haben mir diese beiden Hände gegeben.“ Auf den unteren Fingergliedern der einen Hand steht „Mama“, auf der anderen „Papa“. Der Buchstabe A ist jeweils durch ein Herz ersetzt. Darüber ergeben einzelne Lettern das Wort „Handwerk“.

„Wenn du in einem Jahr nichts kannst, bist du wieder raus“

Handwerker ist Moritz von Haus aus. Nach dem Schulabschluss absolvierte er eine Ausbildung als Prototypen-Bauer in der Automobilindustrie in Hildesheim. Er setzte einen Meister drauf, arbeitete einige Zeit als Abteilungsleiter, wollte eigentlich noch ein Studium anschließen. Das Tätowieren begeisterte ihn schon früh. Mit 12 Jahren las er sein erstes Tattoo-Magazin. Mit 14 folgte das erste Tattoo.

Ein Auslöser der Faszination: sein jüngster Onkel. Der wuchs bei seinen Eltern auf, arbeitete nebenbei in einem Tattoo-Studio in Hildesheim – und nahm Moritz manchmal mit. „Als ich 16 war, habe ich den dortigen Inhaber ‚Nase‘ gefragt, ob ich bei Ihm das Tätowieren lernen könnte. Aber er meinte, ich solle erst mal eine normale Ausbildung machen. Und das habe ich gemacht! Das Tätowieren ist zu der Zeit wieder aus meinem Kopf verschwunden.“

Aber nicht für immer. Moritz wurde in Hildesheim freigestellt. Seine Freizeit verbrachte er ab diesem Zeitpunkt wieder im Studio – bei der Tattoo Family Eisenhauer: „Aus Rumhängen wurde Mithelfen und daraus Piercen. Ich dachte: Das ist vielleicht die Chance, die ich vor zehn Jahren schon wollte.“ Er fragte, ob Inhaber Erich Eisenhauer ihn ausbilden würde. „Erich hat gesagt: ‚Wenn du in einem Jahr nichts kannst, bist du wieder raus‘. Und jetzt bin ich schon sieben Jahre hier.“

Moritz Piwon: Am liebsten traditionell

Spaß bereitet ihm jedes Tattoo. Jedes Motiv, jede Stelle. Moritz: „Ich mache alles, was ich verantworten kann und von dem ich überzeugt bin, dass der Kunde ein super Ergebnis bekommt.“ Am liebsten tätowiert er im traditionellen Stil. Das passt zum jungen Familienvater, der eine lederne Retro-Armbanduhr trägt und gern vor 20 oder 30 Jahren gearbeitet hätte: „Da war alles entschleunigter, persönlicher.“ Vor ein paar Monaten kam Sohn Fritz auf die Welt. Zusammen mit seiner Frau wohnt Moritz in Hameln. Gebürtig kommt er aus Wallensen.

„Tattoos waren nie ein Tabuthema in unserer Familie“, erzählt der 30-Jährige. „Auf meiner Konfirmation durfte ich kein Bier trinken, aber mit 14 tätowiert sein.“ Bis heute bereut er keins seiner Tattoos. Es war eine bewusste Entscheidung, sich den Kopf oder die Hände tätowieren zu lassen. Und dennoch betont er: „Trotz des Trends ist es kein Muss, tätowiert zu sein.“

Was einen guten Tätowierer ausmacht? Selbstreflektion, meint Moritz. „Ein guter Tätowierer sollte aufhören, wenn er denkt, er ist der Geilste. Das gibt es einfach nicht.“ Ihm ist wichtig, das Bestmögliche zu erreichen. Tag für Tag. „Ich tätowiere viel, weil ich das Handwerk lebe und liebe“, sagt Moritz – und setzt sich ans Mandala für Aline …

Fotos: Christian Manthey

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