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Hamelner Künstlerin mit Asperger-Autismus: Yvonne Bonaparte erzählt aus ihrem Leben

Nach einem Herzinfarkt vor vier Jahren hat ihre damalige Ärztin ihr geraten, einen Diagnosetest für Autismus zu machen. Jetzt weiß sie, dass sie Asperger-Autistin ist. Ihr Leben hat sich geändert. Früher arbeitete sie als erfolgreiche Musikproduzentin, heute verkauft sie Bilder unter dem Künstlernamen Yvonne Bonaparte.

„Zuerst hat mir das natürlich den Boden unter den Füßen weggezogen“, beschreibt Bonaparte, die ihren bürgerlichen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ihre Reaktion auf die Diagnose. „Ich hatte das Gefühl, mein bisheriges Leben war gar kein richtiges Leben, ich war immer eine Last, mittlerweile habe ich Wege gefunden, damit umzugehen.“

Seit ihrer Diagnose habe sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt. „Ich habe viele Beiträge in Internetforen dazu gelesen, aber besonders hat mir mein Partner geholfen. Er hat schon lange die Diagnose Autismus und ADHS. Mit ihm konnte ich darüber reden.“ Sowohl Medikamente als auch Therapie lehne Bonaparte ab. Da gehe es nur darum, sich besser an die Norm anzupassen. Eine Idee, die ihr zuwider ist, wie sich im Gespräch zeigt.

Zunächst einmal, betont sie, sei Autismus ihrer Überzeugung nach keine Krankheit. „Autisten habe eine andere Wahrnehmung, das ist neuronal. Ich habe etwa keinen Filter für Reize. Autisten wird auch oft nachgesagt, sie hätten keine Gefühle oder Empathie. Es ist aber das Gegenteil der Fall: Der Autist fühlt zu viel, kann es aber dadurch oft erst versetzt verarbeiten.“

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Sie verarbeitet das Anderssein in ihren Bildern

„Bevor ich mit der Malerei angefangen habe, war ich eine erfolgreiche Musikproduzentin. Ich habe für Musiker wie ‚Die Prinzen‘, ‚Mr. President’ oder ‚Falco’ gearbeitet und Platin-Platten produziert. Trotz des Erfolges habe ich mich dabei immer allein gefühlt. Wenn ich in den Raum kam, wurde es still. Die Leute um mich rum wirkten so, als fühlten sie sich unwohl. Sie verhielten sich, als hätten sie Angst vor mir und gingen mir aus dem Weg“, erinnert sich Bonaparte.

Sie sei damals aber auch, so beschreibt sie es selbst, „sehr herrisch, ja diktatorisch“ gewesen. Ihre forsche Art habe ihr auch ihren Künstlernamen eingebracht. „Ich habe auch eine Zeitlang mit Bushido zusammengearbeitet. Weil ich so klein bin und so bestimmt, hat er gesagt: ‚Ey, du bist ja voll der Napoleon Bonaparte.‘“

Ihre Bilder verkauften sich vor allem im asiatischen Markt gut. In Deutschland werde ihr abstrakter futuristischer Stil, den sie selbst „Autism Future Art“ nennt, noch nicht wirklich angenommen. Dafür sieht sie auch einen Grund.

In ihrem Bild “In Invicem” stellt Yvonne Bonaparte das Fremdsein dar.

Kritik am deutschen Kunstmarkt

In Deutschland sei aktuell Kunst beliebt, die sich politisch positioniere. Diese „ideologische“ Herangehensweise an Kunst findet sie schlimm. „Kunst sollte frei sein. Sie ist ein gutes Ventil, um der Realität mal zu entfliehen.“ Aktuelle Kunst verweise ununterbrochen auf das echte Leben, „davon habe ich doch so schon genug, warum sollte ich mich dann auch noch in Bildern damit auseinandersetzen?“, so ihre rhetorische Frage dazu.

In ihren Bildern verarbeitete sie ihre Weltsicht, das Anderssein und vor allem die Zukunft, in der nach ihrer Ansicht, die Rolle des Menschen, der durch die fortschreitende Optimierung der Maschinen und der Künstlichen Intelligenz, immer unwichtiger werde. Auf die Frage, wie sie diese Aussicht finde, antwortet sie: „Dazu habe ich keine Meinung. Ich werde es wohl nicht mehr erleben.“

In diesem Bild zeigt sie sich selbst. Es verarbeitet ihr Gefühl, dass alle auf sie schauen.

Wo man an anderer Stelle Künstler davon berichten, von ihrer Arbeit erfüllt zu sein, sieht Bonaparte das Ganze etwas nüchterner. Bonaparte zitiert frei nach dem deutschen Skandalkünstler Jonathan Meese: „Die Kunst diktiert. Ich führe nur aus.“

Zwischen Zwangshandlung und Entspannung

Sie sei beim Malen eher ein Medium, erinnere sich manchmal sogar nicht einmal daran, dass sie ein Bild überhaupt gemalt habe, nachdem es fertig ist. Auch wenn sie bei ihrer Tätigkeit keine Freude im klassischen Sinne empfinde, so helfe ihr die Malerei dabei, sich zu konzentrieren, den Gedankenstrom zu begrenzen. „Das entspannt mich, auch wenn ich es als Zwangshandlung beschreiben würde.“

Mit ihrer Geschichte möchte sie anderen Autisten Mut machen. Sie sollen sich gesehen und akzeptiert fühlen, statt in Depressionen zu verfallen. Denn das sei, was fast unweigerlich passiere, wenn ein „neurodiverser“ Mensch, wie sie einer ist, sich verbiege, um der Norm zu entsprechen.

Fotos: Yvonne Bonaparte

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