Bunte Fahnen wehen im Kaffee38, im Hintergrund läuft entspannte Musik, Johannes serviert Flat White, mit einer mexikanischen Kaffeebohne. Dass Kaffee38 könnte so auch in Mexiko stehen, wohin Johannes zusammen mit seiner Frau in Kürze auswandert. Fünf Jahre lang hat er in Hameln an der Osterstraße hinter seiner Siebträger-Maschine gestanden, hat besten Kaffee und verschiedene Variationen daraus zubereitet, duftende Franzbrötchen aufgebacken – jetzt stehen die Zeichen auf Abschied. Von Aufregung keine Spur. “Es gibt zuviel zu tun, um aufgeregt zu sein.”
Seinen Entschluss, nach Mexiko auszuwandern, hat er seinen Gästen vor einigen Monaten mitgeteilt. Vielleicht kam für den einen oder anderen diese Entscheidung nicht ganz so überraschend: Johannes’ Frau ist gebürtige Mexikanerin; auch Johannes war schon des Öfteren dort und hat die Familie besucht – und ist fasziniert von dem Land; vor allem auch, weil es dort guten Kaffee gibt, wie er sagt. “Die Kaffeeszene wächst dort gerade sehr schnell”, sagt er.
Im Großraum Mexiko-Stadt, wo Johannes zusammen mit seiner Frau hinzieht, wird er wahrscheinlich auch erstmal in einem Café arbeiten, das liegt ihm, das kann er – auch, wenn er noch nicht fließend Spanisch spricht. “In Mexiko wird das sauberste Spanisch der Welt gesprochen, verstehen kann ich also schon ganz gut”, freut sich Johannes. Mit Englisch kommt er allerdings auch sehr weit; dank Bosch und Henkel sind große Unternehmen vor Ort, vielleicht trifft er auch den einen oder anderen Deutschsprachigen. Mit seiner Sprache sei es von Besuch zu Besuch bei der Familie seiner Frau immer besser geworden. “Aber immer wenn ich dachte, es geht jetzt, sind wir meistens zurück nach Deutschland geflogen. Jetzt bleiben wir da.”
Künftig wohnt Johannes nahe Mexiko-Stadt in 2500 Metern Höhe
80.000 Einwohner hat die Stadt; die Menschen leben allerdings auf viel engerem Raum, alles geht ineinander über. “Es ist ähnlich wie im Ruhrgebiet”, beschreibt Johannes seine künftige Heimat. Wobei nur in diesem Punkt. Denn künftig wohnt Johannes 2500 Meter über dem Meeresspiegel; die Küste ist zu beiden Seiten je acht Stunden entfernt. Wer also denkt, dass bei ihm künftig jeden Tag Beach-Party angesagt ist, irrt. Tagsüber 20 bis 30 Grad, nachts kann es dort aber auch schon mal richtig kalt werden, erzählt Johannes. “Klimatisch ist es dort eher wie bei uns im Frühling”, sagt er. Einzig Schnee, den wird er in den kommenden Jahren wohl nicht mehr sehen, es sei denn auf dem 4500 Meter hohen Vulkan in der Nähe.
“Super faszinierend” – so beschreibt er die Landschaft in seiner künftigen Heimat. “Du fährst den Berg runter und bis 1000 Meter weiter unten in einem anderen Klima – zum Beispiel im tropischen Dschungel.” Auf was er sich am meisten freut: das Essen. Auf kleinen Märkten gibt es meist an jedem Stand etwas auf die Hand, meistens Speisen, die es in Restaurants nicht gibt. Tacos liebt er, aber auch eine Suppe, die Pozole. Generell ist die mexikanische Küche sehr fleischlastig. Fisch gibt es an den Küsten, im Landesinneren eher weniger. Und: “Es kommt meist überall Käse dran.” Und auch wenn Chili dran ist: Würzen kann man sein Essen meistens selbst; Johannes hat allerdings kein Problem mit scharfen Speisen. Was er in Mexiko jedem empfiehlt, zu probieren: Nopalitos, die Blätter des Kaktus, isst er gerne roh als Salat.
Was würde aus dem Kaffee38 werden?
Während er von Deutschland aus alles geregelt hatte, was seine Zukunft in Mexiko angeht, war eine Zukunft lange ungewiss: Wie würde es im Kaffee38 weitergehen? Es geht weiter und darüber ist Johannes Kruse sehr glücklich. Mit Max und Anastasiia hat er Nachfolger gefunden, die ebenfalls aus der Gastronomie kommen und sich hier – ebenso wie Johannes in Mexiko – ihren Traum erfüllen. Dass er sie gefunden, war eigentlich Zufall. Denn Max und Anastasiia, im vergangenen Jahr mit ihren drei Kindern aus der Ukraine geflohen, hatten gar nicht aktiv nach einem eigenen Café gesucht. Viel mehr kam Max, der Foto- und Videograf ist, in Johannes Laden, um einen Kaffee zu kaufen, den er mit aufs Foto nehmen wollte. Sie kamen ins Gespräch, Max fragte, ob Johannes eine Aushilfe braucht und so kamen die beiden ins Gespräch. Dass Max in der Ukraine schon als Barista gearbeitet hat und Anastasiia gelernte Konditorin ist, kommt dem Kaffee38 nun zugute.
Das hat mittlerweile auch schon den Namen gewechselt und heißt nun Razom (übersetzt: Zusammen). Hier stehen nun Max und Anastasiia hinter dem Tresen an der Siebträgermaschine, verkaufen den Kaffee, den Johannes einst verkaufte und geben dem ganzen eine neue Note. Kleine Törtchen und ähnliche Produkte wie Macarons bieten die beiden an; süße Spezialitäten aus der Ukraine. Da auch Johannes noch ein paar Wochen hier ist, bevor sein Flug nach Mexiko geht, kommt er natürlich vorbei und probiert. Und freut sich über seine Nachfolger, die – im Vergleich zu ihm – einen nicht so einfachen Start in einem fremden Land hatten. Johannes, mach’s gut!