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Viele negative Nachrichten – wie wir HamelnR trotzdem stark bleiben

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Inga Symann

Krieg, Aufstände, Krankheiten, Klimakrise, steigende Kosten – zurzeit leben wir in herausfordernden Zeiten. Schlechte Nachrichten, wo man nur hinhört. Doch nicht nur die Medien überfluten uns damit – auch die alltäglichen Gespräche drehen sich um die aktuell belastenden Themen. Was macht das mit uns? Und wie können wir uns vor dem mentalen Kollaps schützen?

Schlechte Nachrichten scheinen momentan aus allen Richtungen über uns hereinzubrechen. Gefühlt jagt eine Krise die nächste. Das Konsumieren von Nachrichten und sogar die alltäglichen Gespräche, ob privat oder bei der Arbeit, werden zu einer echten Herausforderung. Wirklich alle sind davon betroffen. Die Folge daraus: Viele Menschen kommen nicht mehr aus der Negativspirale heraus. Sie haben Angst, reden nur noch von den schlimmen Schicksalsschlägen und machen sich immer mehr Sorgen. Doch es gibt auch welche, die es anders machen. Sie schaffen es, auch herausfordernde Veränderungen anzunehmen, daraus neue Fähigkeiten zu entwickeln und auch den schweren Zeiten etwas Gutes abzugewinnen. Aber wie kann das funktionieren?

Schlechte Nachrichten – warum werden sie zum Problem?

Schlechte Nachrichten und persönliche Krisen gab es schon immer. „Das Problem ist“, so Andrea Bolte, Inhaberin des Instituts für Mental Coaching, „dass es momentan nicht nur einzelne Personen, sondern uns alle auf einmal betrifft.“ Hinzu kommt, dass wir negative Informationen stärker gewichten als positive. Man nennt den Effekt auch „Negativity Bias“, also Negativverzerrung. Es wird vermutet, dass dieses Verhalten evolutionär begründet ist, zum Beispiel, um sich vor Gefahren besser schützen zu können.

Dr. Alexander Pain, Foto: Inga Symann

Dr. Alexander Pain, Chefarzt und Leiter des Zentrums Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie im AMEOS Klinikum Hameln sieht jedoch noch ein weiteres großes Problem: „Wir werden durch die sozialen Medien ungefiltert und ungefragt mit schlechten Nachrichten bombardiert. Jeder besitzt heute ein Smartphone. Die Bilder in Echtzeit machen etwas mit uns. Wir können uns durch die Unmengen an unkontrollierten Informationen nur noch sehr schlecht abgrenzen.“

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Was machen schlechte Nachrichten mit uns?

Als besonders herausfordernd empfindet Kerstin Schwigon, Geschäftsführerin der SoFiHa GmbH (Soziale Familienhilfe Hameln), dass die Bedrohung nicht nur medial ist: „Es ist Krieg in Europa, das lässt niemanden kalt. Und durch Corona konnten wir reale Bindungen und Beziehungen teilweise nicht mehr leben.“ Angst und Verzweiflung, teilweise auch Gewalt waren an vielen Stellen die Reaktionen auf die kritischen Situationen und deren Folgen.  „Angst und fehlende Sicherheit bringen Menschen an ihre Grenzen“, so Bolte. Um wieder Vertrauen ins Leben zu bekommen, suchen sie sich eine Zugehörigkeit unter Gleichgesinnten. „Je nachdem, zu welchem Umfeld diese Menschen gehören, können schlechte Gedanken sogar noch verstärkt werden.“

Kerstin Schwigon, Foto: Kerstin Schwigon

Auch Pain weiß, was schlechte Gedanken langfristig mit uns machen können. Täglich hat er mit Menschen zu tun, die mit ihren ganz persönlichen Krisen kämpfen. Problematisch in der derzeitigen Situation ist, dass negative Nachrichten und die dazugehörigen Bilder mehr fesseln als positive. Das Abgrenzen davon ist schwierig. Wir denken, dass wir mit zunehmender Menge an Informationen auch die Situation besser verstehen können. „Doch das ist in diesem Fall ein Trugschluss“, so Pain. „Je mehr schockierende Mitteilungen aus den unterschiedlichsten und teils unsicheren Quellen aufgesaugt werden, umso weniger werden sie für uns verdaubar. Wir sehen Leid, Angst und sterbende Menschen.“

Was können wir tun, damit wir nicht resignieren?

Schlechte Nachrichten gibt es ausreichend. Doch es gibt auch eine richtig gute Nachricht: Wir können etwas tun, damit wir daran nicht zugrunde gehen. Den richtigen Umgang mit schlechten Nachrichten kann man lernen. Einige Maßnahmen können helfen, zuversichtlich zu bleiben:

Zeit nehmen, um Gehörtes und Gesehenes zu verarbeiten

Besonders die vielen schrecklichen Bilder und negativen Informationen liegen uns schwer im Magen. „Wir brauchen Zeit, um diese zuordnen und verarbeiten zu können“, so Pain. Doch meistens hetzen wir weiter und schauen bei jeder Gelegenheit nach, ob es weitere Neuigkeiten gibt. Dabei würde es ausreichen, wenn wir maximal zweimal am Tag die aktuellen und seriösen Meldungen checken.

“Wir sollten uns vor allem bewusst die Zeit nehmen, die Gefühle durch das ständige Bombardement mit bedrohlichen Meldungen zu benennen“, erklärt der Chefarzt. Es lohne sich, die eigenen Empfindungen ernst zu nehmen. Nur so können gezielt Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Sowohl Pain als auch Schwigon betonen, dass wir uns die Normalität, die gewohnten Abläufe und unser kleines Glück wieder stärker bewusst machen sollten. „Wir müssen uns reorientieren und achtsam wieder im Hier und Jetzt ankommen“, betont Schwigon.

Sich mit den richtigen Menschen austauschen und Gefühle teilen

Häufig stehen wir den vielen negativen Meldungen machtlos gegenüber. Diese Machtlosigkeit macht Angst. Nehmen wir uns aber die Zeit, um wieder in unserer eigenen Welt anzukommen, können wir aktiv aus der Starre ausbrechen. Die Familientherapeutin rät: „Es ist hilfreich, sich anderen Menschen zuzuwenden und sowohl Ängste als auch Hoffnungen miteinander zu teilen. Daraus ergeben sich oftmals völlig neue Sichtweisen und Wege aus der persönlichen Krise.“ Andrea Bolte sieht das ähnlich: „Wir sollten uns gerade in schwierigen Zeiten mit den Menschen umgeben, die uns guttun.“

Andrea Bolte, Foto: Inga Symann

Meistens passiert das automatisch und unterbewusst. Teilweise müssen wir uns dazu auch „nur“ bewusst machen, wer und was wichtig für uns ist. Bolte ergänzt: „Menschen suchen sich immer Gleichgesinnte, um sich sicher zu fühlen.“ Gemeinsam können so Situationen betrachtet und durchdacht werden.

Lösungen suchen, Veränderungsprozesse anregen

Alte Gewohnheiten können uns in Krisenzeiten im Weg stehen. Sie blockieren uns und unser Verhalten. Doch um diese abzulegen, bedarf es manchmal einiger Kniffe und teilweise auch Hilfen von außen. „Angst ist dabei kein guter Berater“, erklärt Bolte. Kommt die Angst doch durch, sollten wir uns laut der NLP Lehrtrainerin und Psychotherapeutischen Heilpraktikerin fragen: Wovor fürchten wir uns eigentlich?

Es hilft, die Situation, in der wir die Angst empfinden, gedanklich durchzuspielen. Meist finden sich so Lösungsstrategien, die uns zuversichtlich stimmen. „Diese Chance können wir nutzen. Nicht angstvoll in das Gefühl eintauchen – das ändert die Situation nicht“, so Bolte. „Lieber einen Schritt zurücktreten und die Lage mit Abstand betrachten. Das gibt Ruhe und hilft, den Fokus wieder zu finden.“

Vertrauen in uns haben

Denken wir zurück, gab es in den letzten Jahren einige Krisen, die wir in den meisten Fällen gut überstanden haben: Immobilienkrise, Bankenkrise, Wirtschaftskrise oder Flüchtlingskrise. Alle wurden von uns zunächst als Bedrohung wahrgenommen.

„Wie wäre es denn, wenn wir einfach darauf vertrauen, dass wir auch eine neue Krise bewältigen können?“, stellt Dr. Pain eine elementare Frage. „Wir können uns im Allgemeinen sehr gut auf unseren gesunden Menschenverstand verlassen“, meint Kerstin Schwigon. Das heißt: Weg von der eigenen Angst, hin zu Vertrauen in uns selbst.

Proaktiv auch auf andere zugehen

Wer sich selbst vertraut, kann auch besser auf andere zugehen und sie in schwierigen Zeiten unterstützen. Kerstin Schwigon ist sich sicher: „Viel häufiger sollten wir nicht nur uns, sondern auch anderen Menschen die Frage stellen: „Geht es dir gut?“.“ Das kann im Privaten genauso wie bei der Arbeit passieren.

„Gerade Arbeitgeber haben momentan eine große Verantwortung“, ergänzt die Sozialpsychologin. Dazu zähle neben der finanziellen Unterstützung vor allem auch der psychologische und soziale Beistand. Aus eigener Erfahrung empfiehlt sie, Supervisionen oder Teamevents durchzuführen. Hier können Ängste verarbeitet und gemeinsame Prioritäten gesetzt werden.

„Zu erfahren, dass wir nicht allein mit unseren Gedanken sind, hilft oft schon“, so Schwigon. Und durch die daraus resultierende Sicherheit und Stärke können auch andere davon profitieren. „In den vielen Familien, die wir betreuen, haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen herausfordernden Zeiten bereits viele Krisen bewältigt. Ich bin stolz darauf, wie sie in diesen herausfordernden Zeiten die Kraft dafür finden.“

Eine weitere Möglichkeit, Krisen zu bewältigen, ist proaktives Handeln. Nicht grübeln, sondern aktiv selbst etwas Gutes tun: Etwas spenden oder zupacken, wo Hilfe benötigt wird. „Zwar können wir die Welt damit nicht umdrehen… aber man fühlt sich besser, wenn man helfen kann“, erklären sowohl Schwigon als auch Pain. „Vor allem sollten wir nicht die Augen vor den Problemen verschließen, sondern schauen, wie wir sie lösen können. So können wir die Herausforderungen besser meistern und aus der Krise herauskommen“, appelliert Bolte.  

Foto: Chris Kursikowski

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