Es ist Donnerstag, 16 Uhr: Vor der grünen Tür des alten Agravis-Gebäudes in Emmerthal gegenüber des Bahnhofs hat sich eine lange Schlange gebildet. Noch eine Stunde ist der Umsonst-Laden wieder geöffnet. Anna Himler, die zusammen mit Annette Wellner in dieser Bürgerinitiative den “Hut aufhat”, begrüßt etliche Menschen persönlich. Nach anderthalb Jahren Krieg in der Ukraine sind immer noch viele Menschen hier, die Hilfe brauchen. “Der Bedarf ist immer noch da”, sagt Anna Himler.
In der Region ist es der Umsonst-Laden Emmerthal, der als einziger dieser Initiativen, die sich meist privat gegründet haben, noch existiert. Was es hier von Anfang an gab: Lebensmittel, frische, also aus dem Kühlregal, oder auch haltbare. Natürlich werden sie rationiert abgegeben, beim Übersetzen hilft Irina, selbst vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet und nun ebenfalls im Umsonst-Laden ehrenamtlich aktiv. Immer wieder nimmt die junge Frau Anna Himler in den Arm: Danke sagen, ist hier das, was zum Ausdruck kommt. Und nicht nur von Irina, sondern von allen Besucherinnen und Besuchern.
Zentral gelegen, gleich gegenüber ist der Bahnhof
Das alte Agravis-Gebäude hat die Gemeinde Emmerthal dem Umsonst-Laden kostenlos zur Verfügung gestellt. “Wir würden das gerne weitermachen”, sagt Anna Himler. Auch, wenn das Gebäude irgendwann mal abgerissen werden sollte, wie der Plan ist. Ideal wäre natürlich auch ein altes Ladengeschäft im Zentrum Emmerthals. Aus einem musste der Umsonst-Laden kurzerhand wieder ausziehen: “Der Vermieter wollte das Konzept nicht unterstützen”, sagt Anna Himler enttäuscht. Das Agravis-Gebäude, eigentlich nur als Lagerraum gedacht, dient nun als Anlaufstelle. Immerhin: Es ist zentral gelegen, gegenüber ist gleich der Bahnhof.
Denn die Bedürftigen, sie kommen aus vielen Städten, aus Hameln, Pyrmont, Bodenwerder, Holzminden. “Wir haben seit Anfang dieses Jahres auch für alle Menschen geöffnet”, sagt Anna Himler. Zwar suchen den Laden vorwiegend noch Menschen aus der Ukraine auf, viele schicken die Waren auch in ihre Heimat, aber es nutzen auch andere Menschen, zum Beispiel Obdachlose aus Emmerthal, das Angebot des Umsonst-Ladens. Zuletzt traf sich Anna Himler hier mit einer Familie, deren Haus abgebrannt ist und die alles verloren hat.
Kooperation mit dem Nahkauf Emmerthal
Bei der Ausgabe der Lebensmittel bekommen die Kunden auch Joghurt, Wurst und Käse. Manches ist abgelaufen, manches nur noch kurzfristig haltbar, manches aber auch länger. “Wir haben eine Kooperation mit dem Nahkauf Emmerthal”, erzählt Anna Himler. “Produkte, die dort nicht mehr verkauft werden dürfen, erhalten wir”, sagt sie. Eine Win-Win-Situation. Die Kunden können dann selbst entscheiden, ob sie es aus dem Umsonst-Laden mitnehmen. Aber es gibt auch andere Produkte: Diese kaufen die Ehrenamtlichen von Spendengeldern und die sind dann auch länger haltbar.
Komplett über Privatspenden laufen die Kleidungs- und Spielzeugartikel. Hierfür hat das ehrenamtliche Team auch eine Annahmezeit eingerichtet. Montags von 17.15 bis 18.30 Uhr können gut erhaltene und saubere Klamotten sowie Spielzeugartikel, aber auch Haushaltswaren wie Töpfe oder ähnliches abgegeben werden. “Die Zeit nutzen wir auch, um neue Waren zu sortieren und etwas, das schon länger hängt, auszusortieren und ans DRK zu geben”, berichtet Anna Himler.
Auch bei Behördengängen hilft das ehrenamtliche Team
Wer Decken, Gardinen, Bettwäsche und Handtücher sucht, wird hier ebenso fündig. “Wir lagern Sachen je nach Saison ein und legen sie dann wieder aus”, so die Organisatorin. Mittlerweile hat sich der Umsonst-Laden geleert, der große Ansturm ist weg. Was dort zusätzlich noch geboten wird: eine kostenlose Beratung für die Menschen in Bezug auf Behördengänge oder ähnliches. “Viele kommen nach Deutschland und haben erstmal nichts”, weiß Anna Himler. “Wir wissen, dass die Orientierung bei Anträgen und Anmeldungen in der Bundesrepublik ziemlich schwierig sein kann. Gerade für Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen. Wir helfen beim Ausfüllen von Formularen und haben den Kontakt zu Behörden und anderen Einrichtungen.” Diese Beratung hat an diesem Nachmittag Ulrike Dobner-Schaefer innerhalb der Bürgerinitiative übernommen. Sie ist wie die ehrenamtlichen Helferinnen Martha Gronewold-Peters, Stella Althaus und Petra Harpel mit der Zeit ins Team gekommen; sie alle helfen nun mit.
Über die sozialen Netzwerke teilt der Umsonst-Laden Emmerthal seinen Kundinnen und Kunden aktuelle Informationen mit. Die Öffnungszeiten sind aber meist immer gleich: Jeden Donnerstag von 15.30 bis 17 Uhr öffnet das Team hier die Türen, um auch so etwas wie eine verlässliche Anlaufstelle zu sein. Natürlich ist das im Rahmen der Ehrenamtlichkeit gerade in Urlaubszeiten schwierig, “aber wir bekommen das gut hin”, so Anna Himler. Denn der Umsonst-Laden Emmerthal ist auch sozialer Treffpunkt; gerade für die Menschen aus der Ukraine, die sich hier mit ihren Landsleuten unterhalten können.
150 Menschen kommen meist pro Woche – das zeigt dem ehrenamtlichen Team, das ihre Arbeit gebraucht wird, dass das, was sie tun, Sinn hat und gut ist, dass sie damit eine wichtige Versorgungslücke schließen. “Ganz ehrlich: Uns geht es hier in Deutschland doch gut”, weiß Anna Himler. Solange es geht und es einen Platz für den Umsonst-Laden gibt, will sie weitermachen. Ehrenamtliche Unterstützung ist gerne gesehen. Unter der Rufnummer 0173/5420401 oder per Mail ist sie zu erreichen oder auch während der Öffnungszeiten des Umsonst-Ladens und der Annahmezeiten von Spenden.
“Wem das Projekt am Herzen liegt, der kann uns auch gerne mit einer Spende unterstützen”, sagt Anna Himler. Das Spendenkonto DE54 2545 0110 0000 0081 02 läuft über die Kirchengemeinde Ohsen. Als Verwendungszweck bitte “Umsonst-Laden Emmerthal” angeben und Namen und Adresse für die Spendenbescheinigung übermitteln.
Fotos: Karen Schreiber