Der Bürgergarten ist voller Menschen und gleicht einem Festivalgelände. Bunte Fahnen und Plakate mit teils sehr kreativen Sprüchen für Vielfalt und Demokratie werden hochgehalten, während auf der Bühne die Band „Holy Shits“ spielt. Die Omas gegen Rechts, Schüler, Eltern, Paare, Gruppen von Freunden und Organisationen sind gekommen. Eine bunte Menschenmasse, die friedlich zusammensteht. Ich mag große Menschenmassen eigentlich nicht, bekomme dort schnell diese Angst erdrückt zu werden, aber hier und heute ist es ein gutes Gefühl. Ich arbeite mich einmal von ganz hinten bis ganz nach vorne an die Bühne vor. „Darf ich bitte durch?“, sage ich entschuldigend. Kein Drängeln, kein genervtes Augenrollen, alle machen extra Platz und lassen mich mit einem Lächeln passieren. Was für ein nettes Zusammensein. In der Menge treffe ich Tarik, den Bürgermeister von Hessisch Oldendorf. Er sagt, dass die Demonstrationen der letzten Tage, die Zehntausenden auf den Straßen, die sich für unsere Demokratie stark machen, ein ermutigendes Zeichen für ihn sind und zeigen, dass es nun keine Ausreden mehr gibt, wegzusehen und nicht die eigene Stimme zu erheben.
Ich möchte denen lauschen, die heute auf der Bühne zu den über 5.000 Menschen im Bürgergarten sprechen. Es stehen am heutigen Samstag so einige da oben und die Reden sind durchweg hörenswert. Vertreter aus Sport, Kirche, Gewerkschaft und Kultur zeigen sich allesamt glücklich über all diejenigen, die heute gekommen sind, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Ahmed vom Migrationsrat fasst es deutlich in einem Satz zusammen: „Faschismus ist keine politische Haltung. Das ist eine Krankheit!“ und für Maria, die erste Vorsitzende des Kreissportbundes, ist „rechtsextremes Denken unvereinbar mit den Werten des Sports“. Eine Vertreterin von Fridays for Future zeigt auf, dass „in solchen Zeiten Menschen zu denen laufen, die vorgeben ihre Sorgen und Nöte ernst zu nehmen. Zu Menschen, die vorgeben, einfache Lösungen auf komplexe Probleme zu haben“. Karoline von der IG Metall mahnt hingegen auch die aktuelle Politik, eine Politik für die Menschen und nicht für das Geld zu machen, um zu verhindern, dass Wählerinnen und Wähler sich dem Faschismus zuwenden.
Was für ein starkes Zeichen
Auch fünf Vertreter und Vertreterinnen unterschiedlicher demokratischer Parteien teilen sich gemeinsam einen Zeitslot auf der Bühne. Was für ein starkes Zeichen, dass auch sie sich trotz unterschiedlicher Meinungen und Positionen hier zusammen präsentieren und allesamt noch einmal deutlich machen, wie wichtig gerade der erste Satz unseres Grundgesetzes ist: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Die Hauptrednerin des Tages ist Margot Käßmann. Sie zitiert die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann mit ihren Worten „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler“ und wünscht sich für ihre sieben Enkel eine freie Welt, in der Zukunft wichtiger ist als Herkunft. Nach ihr stehen die „Omas gegen Rechts“ auf der Bühne. „Wir haben Handwerkermangel. Ich möchte nicht, dass der beste Maurer in meinem Betrieb zurück in seine Heimat muss. Er ist Afghane.“, sagt eine von ihnen. Eine andere ist queer und möchte die so hart erkämpfte Anerkennung im Land nicht aufgeben müssen. Noch viele weitere teilen heute ihre Meinung mit der Menge und die Gruppe „Schüler gegen Rechts“ kapert lachend und farbenfroh zwischendurch die Bühne, um für sich und weitere Aktionen zu werben. Bei den Vertretern aus der Politik fällt der Satz „Faschismus ist eine Krankheit“ nochmal und dann folgt: „Und ihr alle seid die Medizin. Aber hier reicht eine Spritze nicht. Es muss immer weiter gehen.“
Hoffnung auf eine freie und bunte Zukunft
Jede und jeder auf der Bühne berichtet von Erfahrungen, Familiengeschichte und Hoffnungen für eine freie und bunte Zukunft in unserem Land und natürlich auch in unserer schönen Stadt Hameln. Die Demo im Hamelner Bürgergarten wird als die bis heute zweitgrößte Demonstration der Nachkriegszeit in die Geschichte eingehen.
Fotos: Ines Krawinkel