Jermain Dehne, wie Jermain083 mit bürgerlichem Namen heißt, muss noch einen Parkschein lösen, aber dann ist er mit wenigen Minuten Verspätung zur Stelle. Er trägt hellblaue Jeans, eine silberne Halskette über dem schwarzen Sweatshirt und Sneaker, unterm Arm eine schwarze Collegejacke, in der Hand Sonnenbrille und eine Dose Red Bull zuckerfrei. Er lächelt freundlich und erzählt auf dem Weg in die Räume der Dewezet-Redaktion, dass es am Abend zuvor spät wurde. Er war in Marburg, um dort eines seiner TikTok-Videos zu drehen. Damit verdient der 21-jährige Hamelner inzwischen seinen Lebensunterhalt.
In den Videos, die meist nicht länger als ein bis zwei Minuten sind, gibt Jermain083 – fast immer mit Sonnenbrille und oft ganz in schwarz und Mantel gekleidet – mal kurze Tanzeinlagen an öffentlichen Plätzen zum Besten oder zeigt sich auch mal beim Bankdrücken, aber vor allem macht er Straßenumfragen, mit denen er, wie er sagt, die Leute zum Lachen bringen will. „Street Comedy“ nennt er das. Er stellt Passanten Fragen, wie „Wie bewertest du dich auf einer Skala von 1 bis 10?“, fragt den Rattenfänger nach seinem „krassesten“ Erlebnis oder führt ein Tänzchen mit „dem Busfahrer“ auf, ebenfalls TikTok-Star aus Hameln. Manchmal nimmt er die Leute auch auf den Arm. Rund 67.000 Followern gefällt das, 2,4 Millionen „Likes“ hat Jermain083 mit seinen Videos eingefahren.
Früher war Jermain Dehne stark übergewichtig, wurde gemobbt
Mit hoher Reichweite in den sozialen Medien lässt sich Geld verdienen. Es gibt Influencer, die sind damit reich geworden, dass sie sich über Videospiele auslassen oder Beauty-Tipps geben. Jermain083 hat offenbar ebenfalls Potenzial. Seit einiger Zeit hat er ein Management, drei Juristen waren auf ihn und seine Videos aufmerksam geworden. Sie akquirieren Anzeigenkunden, bearbeiten Anfragen und entwickeln Marketingstrategien für ihn, erzählt er. Somit dienen seine Videos inzwischen nicht mehr nur der Unterhaltung, sondern auch dem Geldverdienen, etwa indem seine Umfragen auf ein bestimmtes Produkt zugeschnitten sind, das am Ende eingeblendet wird. Das zahlt sich offenbar nicht nur für die Anzeigenkunden aus, sondern auch für ihn. „Ich kann gut davon leben“, sagt er.
Die „083″ hinter seinem Namen stehe übrigens für seinen Geburtstag, den 8. März. So cool und abgeklärt, wie er sich in seinen Videos gibt, so freundlich und besonnen ist er im Zwiegespräch. „Natürlich spiele ich bei TikTok auch eine Rolle“, sagt er. Aber am Ende gehe es ihm um die Sache und die bestehe für ihn darin, vor der Kamera zu stehen und die Menschen zu unterhalten. „Das war schon immer meine Leidenschaft“, sagt er. Dieser nachzugehen, habe er sich aber jahrelang nicht getraut. Er war lange stark übergewichtig, worunter er mit der Zeit immer mehr litt. 170 Kilo wog er, wurde gemobbt. Bis er mit 17 Jahren den Entschluss fasste, abzunehmen und innerhalb von anderthalb Jahren 70 Kilogramm verlor. „Mit 18 hatte ich dann auf einmal ein neues Leben“, sagt er. Auch diese sehr persönliche Geschichte schildert er in einem seiner ersten Videos.
Selbstvertrauen und eine neue Lebenssicht
Dieser Lebenswandel hat ihm Selbstvertrauen gegeben und seine Sicht auf das Leben verändert. „Ich glaube, wenn man etwas wirklich möchte, dann kann man es auch schaffen“, sagt er. Aber Ängste würden viele, wie auch ihn früher, daran hindern, die Sorge, was andere über sie denken könnten. „Aber in 100 Jahren sind wir alle tot und vergessen“, sagt er. „Es muss einem also nichts peinlich sein.“ Sein Ziel sei, eines Tages „finanziell unabhängig“ zu sein. Aber auch dann, sagt er, würde er weiter Videos drehen. „Ich mache das nicht für das Geld, sondern weil es meine Leidenschaft ist.“
Und wie würde er sich eigentlich auf einer Skala von eins bis zehn bewerten? Er lacht. Und überlegt lange. Dann antwortet er: „Natürlich mit Zehn!“
Foto: Philipp Killmann