Alles Kopfsache?
Wenn Andrea Bolte in ihrer Praxis im Hamelner Hefehof steht und aus dem Fenster blickt, kann sie am Horizont das BHW sehen. Vor rund 15 Jahren arbeitet die gelernte Werbekauffrau dort in einer Führungsposition. Als das Unternehmen von der Postbank übernommen wird, begleitet sie die Mitarbeiter durch den Veränderungsprozess. „Das war für viele nicht einfach“, sagt sie – und lehnt sich mit einer Tasse Kaffee in der Hand im schwarzen Ledersessel zurück. „Viele Mitarbeiter waren orientierungslos.“
„Das Leben unterliegt Veränderungen“
Zu dieser Zeit beschäftigt sich Andrea Bolte intensiv mit dem Thema Coaching – und fängt an, sich für die Psyche des Menschen zu interessieren. „Das Leben unterliegt Veränderungen“, sagt sie. Irgendwann müsse sich schließlich jeder die Frage stellen: Ist der Weg, auf dem ich mich befinde, der richtige? Oder erzwingen die Gegebenheiten von außen, dass ich mich verändere? „Ich fand es schon immer spannend, wie Menschen damit umgehen“, meint Andrea Bolte. „Person A passiert das gleiche wie Person B. Person A geht lösungsorientiert mit dem Problem um, Person B steckt in der tiefsten Krise.“ Alles Kopfsache?
Eine eigene Praxis in Hameln war eigentlich nie das Ziel der Mentaltrainerin
Im Alter von fast 30 Jahren will sie zu dieser Zeit jedoch kein Psychologie-Studium mehr beginnen. Allerdings stellt sie zufällig fest, dass eine Heilpraktiker-Ausbildung im Bereich der Psychotherapie auch berufsbegleitend möglich ist. „Das habe ich als Hobby gemacht, hatte nie vor, mir eine eigene Praxis aufzubauen“, erzählt die Mentaltrainerin. Genau dazu ist es aber gekommen.
Alles beginnt nebenberuflich, in der Einliegerwohnung ihres Wohnhauses in der Nähe von Rehren. Seit mehreren Jahren hat sie ihre Praxis inzwischen im Hamelner Hefehof. „Lustigerweise waren das früher auch Räume, die das BHW genutzt hat“, sagt sie. „Ich habe hier schon gearbeitet, telefoniert.“ Als die Mentaltrainerin mit dem Vermieter in den Raum kam, lag dort noch der frühere BHW-Teppich.
Andrea Bolte wünscht sich mehr Toleranz in der Gesellschaft
Andrea Bolte weiß: Die Probleme und Ängste, die uns Menschen treiben, sind oft gleich. Groß sei oft die Angst: „Darf ich es draußen überhaupt zeigen, wie es mir geht? Was ist denn, wenn die anderen Kollegen das mitkriegen?“ Andrea Bolte wünscht sich daher mehr Mut der Menschen, offen zu sagen, wie es ihnen geht:
Wir leben immer noch in einer großen Leistungsgesellschaft. Wir müssen erfolgreich sein, gut aussehen, brauchen einen tollen Job, ein tolles Auto. Und glücklich sollen wir auch noch sein. Wenn das aber aus der Balance gerät, ist es für viele Menschen ein Gefühl von persönlicher Schwäche oder das Gefühl: Ich habe versagt. Das geben die wenigsten gerne zu.
Als Sicherheitstyp ins Ungewisse?
Andrea Bolte hilft Menschen, die in einer Phase stecken, in der es hakt. Sie gibt Hilfe bei der Frage: Biege ich rechts ab oder links? Diese Frage hat sie sich auch selbst gestellt. Zum Beispiel, als sie sich entscheidet, bei der Postbank zu kündigen und sich selbstständig zu machen. „Dass ich bei meinem Arbeitgeber gekündigt habe, war ein Prozess“, erinnert sie sich. Eine Festanstellung biete schließlich auch Sicherheit. Und als Sicherheitstyp sieht sich Andrea Bolte eigentlich auch. Trotzdem entscheidet sie sich für den anderen Weg. Für ihren Weg.
Inzwischen ist die Mentaltrainerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie in ganz Deutschland unterwegs, um Mitarbeiter und Führungskräfte zu coachen. Sie hält Seminare und Workshops für Firmen in Hamburg, Köln oder München. Beim Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach unterstützt sie das Coaching der Führungsebene oder hält Seminare im Bereich „interne und externe Kommunikation der Trainer des Nachwuchsleistungszentrums.“
Andrea Bolte: Keine Trainings oder Seminare von der Stange
Diese Arbeit erfüllt Andrea Bolte. „Ich biete keine Trainings oder Seminare von der Stange an“, sagt sie. „Ich gehe ins Unternehmen und frage: Wo ist ihr Schmerz? Oder: Wo wollen Sie noch besser sein?“ Nach diesem Bedarf entwickelt sie individuelle Konzepte. „Und das macht es so spannend“, sagt die Mentaltrainerin. Auch die Unternehmen in der Region Hameln-Pyrmont möchte sie mehr unterstützen, sich mittelfristig ein eigenes Coaching-Team aufbauen. Ihre Reise geht weiter.
Text: Moritz Muschik
Fotos: Tanja Dutton
Konzeptschmiede
Mental Coaching Hameln