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Ein entschleunigender Besuch bei einer Mofa-Gang in Grohnde

Die Zeiten werden immer schnelllebiger? Nicht so in Grohnde. Hier trifft sich einmal die Woche ein Haufen von Mofa- und Moped-Liebhabern. Sie schätzen gerade die Langsamkeit der Kleinkrafträder. Ein Besuch im Hauptquartier der Mofa-Gang.

Anni Versary überlässt nichts dem Zufall. Vor dem Treffen mit seiner Mofa- und Moped-Gang am Montagabend in Grohnde weist er den Reporter an, das Auto in der Bahnhofstraße zu parken, um dort auf sein Mofa umzusatteln. Der Schreiberling der Landpostille soll stilgerecht im Hauptquartier der Bande erscheinen, gibt Anni, der weder seinen bürgerlichen Namen noch sein Alter in der Zeitung lesen möchte, zu verstehen. Na gut. Wenig später rollt Anni mit dem Reporter hinter sich auf der Sitzbank seiner Zündapp ZD 20 auf das nur wenige Meter entfernte Grundstück und in den Garten von Marco Hodes (31).

Man fühlt sich wieder wie 16.

Dort haben Hodes & Co. schon alles für den Besuch der Heimatzeitung vorbereitet. In einem großen Halbkreis mit Feuerstelle in der Mitte stehen knapp 30 Mofas und Mopeds. Klassiker wie IFA, Simson, Zündapp sind vertreten. Es fehlen Hercules, Kreidler und Puch. Dafür ist mit einer Yamaha auch ein Moped eines ausländischen Herstellers vorhanden.

Die Kleinkraftrad-Freunde kommen aus Grohnde, Bad Pyrmont, Klein Berkel, Groß Berkel und Hessisch Oldendorf

Es gibt Flaschenbier, man plaudert, fachsimpelt, lacht. Das Gros der Anwesenden stammt aus Grohnde, der Rest aus Bad Pyrmont, Klein und Groß Berkel oder Hessisch Oldendorf, und ist männlich. Bis auf zwei Frauen. Eine davon ist Erja Kerstan. Die 21-Jährige ist die Freundin des leidenschaftlichen Schraubers Marco Hodes. Durch ihn kam sie auf den Geschmack des Mofafahrens. Seit einem Jahr ist sie stolze Besitzerin einer Zündapp Bergsteiger, Baujahr 1975.

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Die alten Mofas und Mopeds sind begehrt. Entsprechend schwierig sei es heute, eins zu ergattern, und wenn, dann zu saftigen Preisen, ist man sich hier einig. Andere Kleinkrafträder werden von einer Generation an die andere weitergereicht. So wie bei Pascal Knauer (29). Er fährt seit 16 Jahren die Yamaha RD 50 M von seinem Opa. Und Hodes hat die Zündapp GTS 50 von seinem Vater übernommen, der sie wiederum von seinem Schwiegervater hatte. Das älteste Kleinkraftrad ist hier die 1958 zugelassene IFA/DKW RT 125 von Matthias Knauer (57).

Ihre Ausfahrten führten sie schon nach Einbeck und an den Edersee

Einmal die Woche, donnerstags, trifft sich die Mofa-Gang, wie Anni den losen Haufen nennt, bei Hodes. Manchmal machen sie kleine Ausfahrten, an den Wochenenden auch mal größere. Vor zwei Wochen waren sie am Edersee, „sechs Stunden Anfahrt“, sagt Philipp „Kernschi“ Kern (29), der seit 14 Jahren eine Bergsteiger, Baujahr 1972, fährt. Zuvor haben sie bereits das Motorrad-Depot des „PS.Speichers“ in Einbeck besucht. Ach, und Anni und Hodes knatterten vor zwei Jahren sogar einmal quer durch Deutschland (wir berichteten). Die meisten der Mofa-Gang sind auch Motorradfahrer, einige haben zudem Oldtimer. Ihre Herzen schlagen für Motoren und Pferdestärken – auch wenn es nur wenig sind.

Einer knattert einmal die Woche von Bad Pyrmont nach Grohnde

Was begeistert am Kleinkraftrad? „Es ist entschleunigend“, sagt Justin Drewes (24), der mit einer Simson S51 aus Bad Pyrmont nach Grohnde gekommen ist. „Und günstig“, merkt er mit Blick auf den geringen Spritverbrauch an. „Es sind die Gerüche“, findet Anni, der von den Düften der Kornfelder schwärmt. „Das Zweitaktöl“, wirft Hodes lachend ein. „Man fühlt sich wieder wie 16“, sagt Pascal Knauer. „Damals hat man sich mit der Mofa die Welt erschlossen.“

Erja Kerstan mag besonders die gemeinsamen Touren, „das Gruppengefühl“. „Man sieht viel, kann sich beim Fahren unterhalten und die Leute freuen sich, wenn sie uns sehen.“ Kernschi bestätigt das: „Man fällt auf, kommt ins Gespräch.“ „Das Langsamsein, die Entschleunigung“ schätzt Matthias Knauer am Kleinkraftrad. „Vorher hatte ich eine 180-PS-Maschine, da ist der Tod etwas näher“, sagt er. Aber in dieser „schnelllebigen Zeit mit Handys und allem“ seien Mofas und Mopeds die passenden Gegenentwürfe.

Hier starrt keiner aufs Smartphone. Nur der Reporter ist getrieben und wird von Anni mit dem Mofa zurück zum Auto eskortiert.

Fotos: Philipp Killmann

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