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Marcia Jordan: Wie der Brustkrebs ihr Leben verändert hat

Marcia Jordan weiß genau, wie ihre Beerdigung aussehen soll. Alles ist weiß geschmückt, im Hintergrund hängen Partyfotos und Bilder schöner Momente, ein Lied aus „Der König der Löwen“ läuft. „Du musst dir Gedanken darüber machen, wenn Du in so einer Situation bist“, sagt sie. Noch könnte es passieren, dass der Krebs neu ausbricht. Diese Sorge lässt sie bewusster leben.

Marcia Jordan im Portrait: Wie der Brustkrebs ihr Leben verändert hat

Vor ein paar Monaten hat Marcia Jordan ihren Vollzeitjob gekündigt. „So, wie ich da gearbeitet habe, hat es mich nicht erfüllt“, sagt sie. Freunde, Familienmitglieder, viele haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, konnten die Entscheidung nicht nachvollziehen. Wie kann sie nur einen sicheren Job aufgeben? „Wenn Du schon mal so krank warst, weißt Du die Gesundheit mehr zu schätzen.“ Und das Glück eben auch. „Ich möchte zu 100 Prozent glücklich sein“, sagt Marcia deswegen an diesem heißen Nachmittag in ihrem Lieblings-Eiscafé in Hameln.

Während sie von der Zeit in ihrem Leben erzählt, die sie zu einem anderen Menschen gemacht hat, kommt ihr Partner Roland Schneider vorbei. Sie küssen sich, lachen kurz miteinander. Seit über fünf Jahren sind sie ein Paar. „Mein Herzensmensch“, sagt Marcia, als sich Roland, Inhaber vom Lifesports, auf den Weg ins Fitnessstudio macht. „Er ist ein selbstloser Mensch, mein Fels in der Brandung, bringt mich zum Lachen. Wir sind nicht nur ein Paar, wir sind auch Freunde“, meint Marcia. „Roland ist einer der wichtigsten Menschen für mich.“ Und er hat sie durch die wohl schwierigste Zeit ihres Lebens begleitet – nach der Schockdiagnose Brustkrebs.

Marcia Jordan – plötzlich krebskrank

An diesen Novembertag vor rund drei Jahren kann sich Marcia Jordan gut erinnern. Sie hatte sich einen Rückenwirbel ausgerenkt und es schmerzte, als sie sich über die Brust strich. Sie ging zum Arzt. Roland hatte sie dazu gedrängt. Als sie nach dem Ultraschall in das Gesicht des Arztes sah, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein MRT und eine Gewebeprobe brachten traurige Gewissheit: Brustkrebs.

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Ich habe mir eine Flasche Wein aufgemacht, am Ende waren es drei. Ich habe nur versucht, den Schmerz abzutöten an diesem Tag.

Marcia Jordan

„Ich hatte gerade Einstand in einer neuen Abteilung“, sagt sie. „Als ich vom Frühstück an den Schreibtisch kam, klingelte mein Handy.“ Der Frauenarzt war dran. Sie sollte so schnell wie möglich in die Praxis kommen. „Als die Diagnose ausgesprochen wurde, habe ich nur noch geweint“, erzählt sie. Roland regelte alles Weitere mit dem Arzt. „Danach sind wir nach Hause, ich habe mir eine Flasche Wein aufgemacht. Am Ende waren es drei Flaschen“, erzählt sie. „Ich habe nur versucht, den Schmerz abzutöten an diesem Tag.“

„Fuck Cancer“: Dann trägt Marcia Jordan eben Glatze

Kurze Zeit später wurde „Becci“ – ihr zweiter Vorname ist Rebecca – operiert. Weil der Tumor sehr aggressiv war, musste sie in die Chemotherapie. „Ich bin dann zum Friseur, habe 60 Zentimeter Zopf abgeschnitten und gespendet für Kinderperücken“, sagt sie. Schließlich verlor sie die ersten Haare. Aus Solidarität rasierten sich ihr Freund, ihre Geschwister und das Team im Fitnessstudio eine Glatze.

„Es gab Tage, an denen habe ich vier Stunden gebraucht, um aus dem Bett zu kommen“, sagt Marcia. „Ich bin auf allen vieren ins Badezimmer und habe meine Tabletten genommen.“ Weil ihr Immunsystem durch die Behandlung stark angegriffen war, durfte sie Freunde und Verwandte für eine gewisse Zeit nicht umarmen. „Das war das Schwerste“, sagt sie. Verstecken wollte sie sich trotzdem nicht.

Ich möchte leben, weil ich das Leben liebe. Aber ich habe keine Angst vorm Sterben.

Marcia Jordan

„Es gab auch Zeiten, an denen ich gedacht habe: Ich kann nicht mehr“, erzählt sie. Trotzdem gab Marcia Jordan nie auf. Freunde, Verwandte und ihr Partner stärkten ihr den Rücken. Sie trainierte weiter im Fitnessstudio, gab Kurse, soweit es möglich war – auch mit Glatze. Und sie ging ganz offen mit ihrer Erkrankung um, ließ Tausende Menschen über Instagram an ihrem Leben mit dem Krebs teilhaben. „Viele Frauen haben sich mit Fragen bei mir gemeldet“, sagt sie und fügt ganz selbstverständlich hinzu: „Ich muss mich nicht schämen.“ In erster Linie wollte sie gar kein Vorbild sein. Für viele ist sie das aber geworden.

Marcia will ihr Leben nur noch genießen

Heute sagt Marcia: „Ich möchte leben, weil ich das Leben liebe. Aber ich habe keine Angst vorm Sterben.“ Auch mit dem Tod musste und muss sie sich auseinandersetzen. Geheilt ist sie erst nach drei weiteren Jahren. Was ihr hilft? Viel reden. „Man soll nicht Mitleid haben oder einen komisch behandeln oder bevorzugen“, meint sie. „Aber ich finde es schon wichtig, dass man darüber redet. Das hilft dem Betroffenen.“ Ihr Freund Roland tat genau das. Für sie verzichtete er auf vieles, fuhr mit ihr in den Urlaub, lenkte sie ab. Die wohl schwierigste Zeit in ihrem Leben hat sie viel nachdenken lassen.

Und so weiß sie, wie ihre Beerdigung aussehen soll. Sie weiß aber auch, was sie bis dahin noch erleben möchte. Einmal Fallschirmspringen zum Beispiel, den rechten Arm tätowieren lassen. „Ich möchte einfach mein Leben genießen, das machen, worauf ich Lust habe“, erzählt Marcia. Der Brustkrebs hat sie zu einem anderen Menschen gemacht.

Text: Moritz Muschik
Fotos: Tanja Dutton

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